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Donnerstag, 28. Dezember 2017

NZZ: aus schweizer Sicht

Der Krypto-Boom wirft knifflige Steuerfragen auf

Das grosse Thema im auslaufenden Jahr waren die Kryptowährungen. Dabei wurden auch neue Formen der Geldbeschaffung ausprobiert. Was für steuerliche Aspekte gilt es dabei zu beachten?
Jürg Müller
«Wir haben täglich ein bis drei Anfragen wegen der Versteuerung von Kryptowährungen», lässt die Finanzdirektion des Kantons Zürich auf Anfrage ausrichten. Der Blockchain-Boom hat damit die Steuerämter erreicht. Zwar war das Thema bereits vor einem Jahr virulent, aber damals drehte sich noch vieles um die Versteuerung von Bitcoin. Mittlerweile hat sich die Sachlage etwas verkompliziert.
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Wie funktioniert eine Blockchain?

Das ist besonders auf die Initial Coin Offerings (ICO) zurückzuführen, bei denen teilweise über 100 Mio. Fr. aufgenommen wurden. Bei einem ICO werden digitale Tokens ausgegeben, die eine ganze Palette von unterschiedlichen Rechtsansprüchen abbilden. Jeder ICO muss deshalb individuell betrachtet werden, um seine Rechtsfolgen abschätzen zu können. Nur bei Bitcoin, dem Token der weltweit ersten dezentralisierten Blockchain, sind die Steuerfragen mehr oder weniger geklärt.

Wie eine Auslandswährung

Ein Bitcoin stellt nämlich kein Recht auf Lieferung einer Ware oder Erbringung einer Dienstleistung dar. Auch gibt es keine Rückzahlungsverpflichtung jeglicher Art oder ein Anrecht auf einen Gewinnanteil, und ein Bitcoin hat auch keinen Verbrauchswert. Der Bitcoin wird zwar kaum mehr für Alltagstransaktionen verwendet, aber aus steuerlicher Sicht gilt er weiterhin als eine Art digitales Geld. Die Steuerbehörden behandeln die Kryptowährung denn auch wie eine ausländische Währung und geben dafür einen Jahresendkurs bekannt.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung (EStV) hat bisher den Steuerwert des Bitcoin jeweils aus dem Durchschnitt der Wechselkurse berechnet, die auf verschiedenen Plattformen veröffentlicht wurden. Für das Steuerjahr 2016 wurde dafür auf achtzehn Finanzplattformen abgestellt, unter anderem Coindesk, Kraken und Bitstamp. Der höchste und der niedrigste Kurs wurden jeweils nicht berücksichtigt, um Verzerrungen zu vermeiden. Auf Anfrage erklärt die EStV, dass sie auf die gleichen Börsen wie vergangenes Jahr zurückgreifen will, um den Steuerwert für den 31. 12. 2017 zu ermitteln – Bedingung sei aber, dass die Plattformen sowohl einen liquiden Handel aufwiesen als auch freien Zugang zu den Kursen gewährten.

Bei ICO wird es kompliziert

Wie werden nun aber Tokens aus den verschiedenen ICO besteuert? Auf diese Frage gibt es noch keine abschliessende Antwort. Ein entsprechendes Positionspapier soll laut EStV sehr wahrscheinlich nächstes Jahr publiziert werden, derzeit sei noch nichts spruchreif. Hierzulande hat unter anderem der ICO der Firma Modum für Aufsehen gesorgt. Die Schweizer Firma hat dabei 13,5 Mio. $ aufgenommen. Doch wie die EStV lässt sich auch Modum nicht in die Karten blicken. Werner Spörri, Verwaltungsratspräsident von Modum, will derzeit keine Auskunft zu steuerlichen Fragen geben.
Die Besteuerung von Bitcoin und anderen Kryptowährungen wirft Fragen auf. (Bild: Ints Kalnins / Reuters)

Die Besteuerung von Bitcoin und anderen Kryptowährungen wirft Fragen auf. (Bild: Ints Kalnins / Reuters)

Aufgeschlossener ist Maurus Winzap, Partner und Leiter des Steuerteams bei der Anwaltskanzlei Walder Wyss. Was derzeit beim Krypto-Boom in Steuerfragen zu sehen sei, seien letztlich alles mehr oder weniger klassische Fragen aus der Alten Welt, die sich einfach neu stellten, sagt er. Je nach Token können so zu unterschiedlichen Zeitpunkten verschiedene Steuern anfallen.
Beim ICO selber sollte die oft erwähnte Stempelabgabe im Regelfall keine Rolle spielen, sagt Winzap. Wird bei einem ICO aber ausnahmsweise ein Recht auf eine künftige Dienstleistung oder die Lieferung eines Produkts geschaffen, müsste eventuell beim Token-Verkauf an Schweizer Investoren die entsprechende Mehrwertsteuer abgeführt werden. Wenn ein Token eine periodische Zahlung an den Inhaber leistet, stellt sich zudem die Frage, ob auf diesen Zahlungen nicht die Verrechnungssteuer von 35% erhoben werden müsste.

Gewinn oder nicht Gewinn?

Der Erlös bei einem ICO – bei Modum die 13,5 Mio. $ – stellt nicht direkt einen Gewinn für das Unternehmen dar. Vielmehr begründe ein ICO in der Regel auch gewisse Pflichten für die Firma, erklärt Winzap. Diese verpflichtet sich beispielsweise, eine neue Technologie zu entwickeln oder gewisse Zahlungen an die Token-Inhaber in Abhängigkeit des Geschäftsverlaufs zu leisten. Um diese Pflichten abzubilden, ist beim ICO eine Rückstellung zu bilden, die über die folgenden Jahre periodengerecht abgebaut wird.
Wie sieht es nun aber mit den jüngsten Kursavancen aus, muss die Aufwertung der beim ICO eingeworbenen Kryptowährungen als Gewinn versteuert werden? Die Antwort hänge davon ab, ob der Kapitalgewinn realisiert worden sei, meint Winzap. Werden die Erlöse in den beim ICO eingenommenen Kryptowährungen gehalten, gelte es, das Vorsichtsprinzip bei der Rechnungslegung zu bewahren. Die Frage sei, ob bei der hohen Volatilität und der teilweise tiefen Liquidität die marktbasierten Zeitwerte (Mark-to-Market) wirklich angebracht seien oder ob nicht besser die historischen Werte (Anschaffungskosten) herangezogen würden – eine Frage, mit der sich auch Revisoren noch beschäftigen werden.

Kryptowährungen im Privatvermögen

Wer privat Tokens hält, muss sich in der Regel um die Frage der Besteuerung des Kapitalgewinns keine Sorgen machen. Dieser wird nämlich bei Privatpersonen nicht besteuert – es sei denn, man erfülle die Merkmale eines gewerblichen Wertschriftenhändlers. Als Einkommen erfasst werden allenfalls aber Dividenden- oder Zinszahlungen, die über die Tokens ausbezahlt werden. Zudem müssen Tokens in der Schweiz als Vermögen deklariert werden. Gerade bei illiquiden Märkten stellt sich hier einmal mehr die Frage nach der richtigen Bewertung.
Viele Fragen zur steuerlichen Behandlung von Bitcoin und Co. bleiben also offen. Selbst die Steuerbehörden können oft nicht weiterhelfen. Im Kanton Zürich sollen die Kryptowährungen aber im kommenden Jahr ein Schwerpunktthema in den internen Aus- und Weiterbildungen des Steueramtes werden – auch die Erarbeitung eines Leitfadens ist geplant. Bis dahin ist bei der Steuererklärung jeder noch auf sich selbst gestellt.

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